In der Stadt, am Ende der Einkaufsstraße, steht das Kaufhaus Alles. Alles schwebt in Neonbuchstaben über dem obersten Sims der Stuckfassade. Alles, Alles, Alles ist in die Gitter gewoben, die nie die Eingangstüren verschließen. Alles ist rund um die Uhr geöffnet.
Aus den Seiten- und Hintereingängen strömen Handwerker, Verkäufer, Dekorateure, Lieferanten, Abteilungsleiter, Detektive, Manager. Lehrlinge werden eingestellt, ausgebildet, behalten oder an andere Kaufhäuser abgegeben; verdiente Mitarbeiter werden in Pension geschickt, unverdiente mit einer Abschlagszahlung entlassen. Tragödien ereignen sich, kleine Bürolieben, Verkäufer tratschen miteinander, um sich die Wartezeit bis zur Pause zu verkürzen.
Alles tut so, als sei dort alles zu haben, was jemals verkauft wurde. Tatsächlich operiert Alles unter einem ständigen Modernisierungsdruck. Waren, an deren Existenz sich kein Kunde mehr erinnert, werden sofort aus dem Sortiment genommen.
Die Verkäufer sind Komplizen dieses Alterungsprozesses. Sie bemerken das Fehlen, und sind deshalb zum Schweigen verpflichtet; genauso wie die Buchhalter tief unten in den Kellergewölben von Alles, die vielleicht noch eher als die Verkäufer ein Inventar der Vergangenheit führen könnten. ,,Mit dem, was hier vergessen wird, könnte man ein ganz eigenes Kaufhaus aufmachen,'' witzelt einer in der Kantine. ,,Das Kaufhaus Nichts.''
Die neuen Waren verbrauchen ständig neue Wörter. Biovital, Wick Vaporub, Nutella, Froot Loops, Chrunchips, Pizza Crossa. Beim Vergessen der alten Waren werden Wörter wieder frei, die zur Benennung neuer Waren recycled werden. Was gestern als Taschentuch berühmt wurde, ist heute eine Zeitschrift, ein Medikament, eine Beilage zu chinesischem Essen. Wenn, was unweigerlich passiert, das Wort wieder bei seiner ersten Bedeutung (oder überhaupt nur bei irgendeiner vorigen) anlangt, kommt den Kunden das Produkt vertraut vor.
Vielleicht steckt ja noch der alte Hersteller dahinter. Es kommt so oft vor, daß Firmen ihren Namen ändern, oder Produkte ihre Verpackung. Vielleicht haben die Kunden recht. Vielleicht arbeiten noch Menschen an dem Neuen, die schon an der Entwicklung des Alten beteiligt waren. Oder es arbeiten Menschen an dem Neuen, die so ähnlich sind wie die Menschen, die am Alten gearbeitet haben; während die alten jetzt eine ganz andere Stellung in einer ganz anderen Firma innehaben, und ganz andere Produkte erfinden. Oder es arbeiten Menschen an dem Neuen, die so heißen wie die Menschen, die am Alten gearbeitet haben; die Produkte essen und trinken und lesen und auf ihrem Körper tragen und sich unter die Achseln sprühen und Hände und Gesicht vorm Schlafengehen mit Sachen bedecken, die so heißen wie die, die ihre Vorgänger benutzten.
Kunden, die doch Tempo und Pizza Crossa gekauft haben, tragen Tüten, auf denen Alles steht. Alles, Alles, Alles, auf braunem knittrigem Altpapier, auf Plastik, auf Stoff für nur eine Mark mehr. Auf Kassenbons und Kreditkarten, Schürzen und T-Shirts ergießt sich ein Sprühnebel von Alles über die Stadt. Denn was wäre Alles wert, wenn sich eines Morgens niemand mehr daran erinnern könnte, wie es heißt?